Was hat Bambi mit Punkrock zu tun? Nun, vielleicht stylte das treuherzige Reh mit den dunklen Kugelaugen ja tatsächlich sein seidiges Fell zum Hahnenkamm und rockte im nächsten Punk-Schuppen zu den Klängen der Sex Pistols ab. Und traf sich mit all den anderen Zeichentrick- und Comicfiguren, die das Leben als Vorbild für die Kleinen satt hatten und private Erfüllung in der Punkwelt suchten.

Eine absurde Vorstellung? Willkommen im "Café Bizarre", wo der Künstler Christophe Lambert den Comicfiguren ihre geheimsten Wünsche erfüllt und ihre dunklen Seiten ans Tageslicht bringt. Ob Unschuldslamm Betty Boop, Held Superman, Dumpfbacke Daffy Duck oder Familienvater Barbapapa: Lambert sucht und findet sie alle und verpasst ihnen zwar kein neues Gesicht, aber eine neue Sprache. Immerwährend grinsend gucken sie von poppig farbigen Bildern und verkünden Worte aus üblen Welten, die ihre kleine Fans noch nicht erschlossen haben.

Lamberts Werk wirkt trotzdem immer freundlich, ganz so wie die Roboterarmee aus Holz und Büchsen, die, in festliches Rosa gekleidet, mit einem breiten Grinsen durch die Galerie spaziert. Rosarot ist allgegenwärtig, einem grossen Kaugummi gleich, süsslich und klebrig. Lambert ist vor drei Monaten von Biel nach Basel gezogen, ein "neuer Basler Künstler", wie Guillaume Daeppen bemerkt. Seither kommt der in Schwarz gekleidete Punkliebhaber Lambert vom Rosa nicht mehr los. Erklären kann ers nicht. Wir lesen es so, dass es ihm am Rheinknie offenbar gefällt.

Und die Farbe passt. Sie wirkt wie ein Süssstoff für die Motive. Was mit harten Worten von "Trash Porn" bis "Kill kill" beschrieben oder Symbolen wie dem Totenkopf illustriet wird, wirkt harmlos. Ein trügerischer Effekt, dem Grinsen gleich, das bei manchen Figuren nicht von hinterhältigem Zähnefletschen zu unterscheiden ist.

Die Zeichentrickwelt macht aber auch vor dem realen Punkrock nicht halt. Ikonen der Alternativbewegung werden in Lamberts Universum hineingezogen, passen sich nahtlos ein. "I love you Bubblegum" ist eines von zwei Videos betitelt, in dem der Künstler als Punkstar mit einer selbst gebastelten Holzgitarre rockt, die gleich daneben an der Wand wie eine Starreliquie zu bewundern ist. Fürs "Café Bizarre" hat er zudem Kleider kreiert, die - von Daniela Beer umgesetzt - der aktuellen Trashpunkmode alle Ehre machen.

von Karen N. Gerig

in Basler Zeitung vom 16. Oktober 2003