Ratten und Schweine


In ihren neuen Arbeiten hat Hilde Kentane unsere moderne Wegwerfgesellschaft im Visier.


Verwundet und verstümmlt - ohne jegliche Selbstbestimmung an Fleischerhaken baumelnd - so und ähnlich präsentiereten sich Mensch und Tier in Hilde Kentanes letzter Ausstellung bei Guillaume Daeppen. Jene von "Macht und Unterdrückung" geprägten Bildwelten sind innerhalb eines Jahres neuen Arbeiten unter dem Titel "Synthetic Ivory" gewichen, in denen die Künstlerin den Fokus nun ganz gezielt auf unsere moderne Wegwerf- gesellschaft richtet. Sie selber nennt ihre riesige Sammlung an Plastiktüten und Plastickverpackungen "synthetische Artefakte, die das Absurde einer modernen Massenkultur widerspiegeln." So wie das mit billigem Druck versehene Plastikmaterial nicht auf Bestand, sondern auf schnellen Effekt hin angelegt wurde, genau so geht Kentane in ihrer Arbeitstechnik damit um: aus zerschnittenen Tüten - mit Schaumstoff gefüllt - näht oder leimt sie wohlgenährte Ratten oder fette Trüffelschweine zusammen, skulpturale Gebilde also, die exakt unserem allzu lockeren, respektlosen Umgang mit der Warenwelt entsprechen.


Versteckt. Konsequent billig gibt sich die Künstlerin auch in Zeichnung und Malerei, deren skurriles Figurenarsenal nicht auf sorgfältig bearbeiteten Bildgründen, sondern auf Papptellern oder ungerahmten Leinwänden sein schrill-buntes Wesen treibt.


Um politische oder moralisierende Messages - betont Kentane - gehe es dabei nicht, sondern vielmehr darum, die uns umgebenden und manipulierenden Dinge fragend, konfrontativ und existenziell zur Darstellung zu bringen. Und das gelingt der Künstlerin mit ihren jüngsten Arbeiten auf unverkrampft-erfrischende und zuweilen versteckt humorvolle Art und Weise.


Renate Dürst
in Basler Zeitung vom 9. November 2006