Expressive Geschichten


Dem Franzosen Jean-Xavier Renaud gelingen mit seinen Wachsstiftzeichnungen treffende, bissige Panoramen unserer Gesellschaft.


Jean-Xavier Renaud schont keine Nerven. Genitalien und Waffen stellen in seinen Werken keine Seltenheit dar, verschmelzen oft gar zu einem Motiv. Aggressivität ist allgegenwärtig. Beinahe zahm kommen da die neuesten Arbeiten des Elsässers daher. Die Parodie auf Franz Marcs blaue Pferde etwa, in der die stolzen Tiere von einem Fuchs vertrieben werden. Doch Renaud geht noch immer aufs Ganze. Sein neoexpressiver Stil reizt die Sehnerven, übereinandergelagerte Erzählschichten fordern Gehirn und Fantasie.


Real. Einfach zu entschlüsseln sind sie nicht, diese wandfüllenden Gemälde, deren Geschichte in einer Ecke beginnt und in einer anderen endet. Dazwischen variiert der Malstil des Künstlers, reicht von expressiv hingeworfen bis beinahe fotorealistisch. Details überlagern Details, Gedanken werden zugefügt, andere verborgen. Zurück bleibt ein faszinierendes Chaos von Chiffren, von Bildern, Ideen und Aussagen. Nichtsagend sind Renauds Bilder nie, zu viel gibt es darin zu sehen. Hintergründige Kommentare auf unsere Gesellschaft, auf unsere Wirklichkeit, in der Waffen und Genitalien keine Seltenheit mehr sind. Renaud zeigt nichts als die Wahrheit, so nervenaufreibend diese auch ist.


Karen N. Gerig


In Basler Zeitung vom 5. Oktober 2006