Natur bebunkert
Siegmart Gasser, Juli 1997


Wie die Natur der Alpen durch Bauten wie Bunker und Staumauern sich verändert.


Der Stausee am Grimselpass und Rhône-Stauwerke in Südfrankreich. Malerei des Realismus, so scheint es. Vor Ort besichtigt, fotografiert und im Atelier nachgemalt. Martin Kasper malt menschenleere, wie stoisch zeitlos anmutende Szenarien der Kraftwerke in schönster Natur. Es malt dies so, dass es wie Erinnerung an die Gegenwart wirkt. Und er malt, ähnliches haben Banausen René Magritte vorgeworfen, richtig gut schlecht, bis fahl düster. Nur so kann Wirklichkeit so merkwürdig unwirklich wirken. Nur so kann Malerei als Malerei im Bild in Frage gestellt werden.


Dunkeltönig und verhalten also der visuelle Bestand der Botschaft, die es aber in sich hat. Denn nirgendwo sonst ist der technische Kraftakt so gross wie bei den mächtigen Kraftwerken in für unumstösslich gehaltenen Alpen oder als unsterblich besungenen Flüssen Europas. Betonbunkerarchitektur in erhabene Natur geklotzt. Am eindrücklichsten inmitten der unverrückbaren Berge, von denen General Guisan im Zweiten Weltkrieg gesagt hat: "Eiserner Wille kann Berge versetzen - keiner aber unsere." Mit einem leichten Anflug von Melancholie erscheinen einem dagegen die Rhône-Kraftwerke.


Siegmart Gassert
Basler Zeitung vom 11. Juli 1997