Von Menschen und Räumen


Eben noch waren sie getrennt. Mensch und Raum schienen für Martin Kasper wie unvereinbare Pole. Seine Industrieanlagen, Empfangshallen und Tankstellen waren stets wie leer gefegt. Nie eine Menschenseele. Verloren irrte der Blick umher, suchte in diesen umwirklichen Szenerien nach Leben, um schliesslich zu realisieren, dass die vermeintlich gegenständlichen Gemälde ihre fesselnde Wirkung aus Form und Farbe gewinnen.


Erst mit der Serie von Kinderporträts für eine ehemalige Davoser Kinderklinik taucht der Mensch in Kaspers Bildern auf. Aber noch in der Kunsthalle vor einem Jahr waren seine Porträts den Raumansichten gegenübergestellt. Jetzt befindet sich der Freiburger Künstler an einem Wendepunkt. Seine neuesten Arbeiten, die in der Galerie Daeppen zu sehen sind, vereinen Mensch und Raum auf einer Leinwand.


Eine Schlüsselstellung nimmt das Gemälde "Am Rand" ein: Rechts im Bild dominiert noch das glühende Gelb einer Deckenbeleuchtung und das warme Bordeaurot der Wände. Der gebogene Gang zieht den Betrachter förmlich ins Bild. Am linken Bildrand stehen anonyme Statisten. Sie verschliessen sich den Blicken, wenden uns den Rücken zu oder zeigen ein maskenhaftes Gesicht, als sei ihr Innerstes ebenso leer wie die Räume.


Glaubte man gerade noch, ins Geschehen integriet zu sein, weist Kasper einen im nächsten Augenblick zurück an den Platz des Beobachters. Eine Absperrung teilt das Gemälde in zwei Häften. Sie lenkt den Blick auf einen rosafarbenen Bildschirm. Gleich einer Vorahnung kündigt sich an, was den Künstler weiter beschäftigen wird: das Bild im Bild.


Mit eiskalter Miene blickt Milosevic von der Kinoleinwand. "Es war die erste Arbeit dieser Art", so Guillaume Daeppen. Das Foto vom Verhör des serbischen Ex-Präsidenten hat Kasper so fasziniert, dass er es zum Aufhänger einer neuen Serie machte. Jahrelang hat der Künstler Fotos von seinen Reisen als "Malanlässe" benutzt, Architektur und Landschaft in eine abstrakte Kulisse verwandelt. Jetzt betrachtet er nicht nur das Verhältnis von Mensch und Raum neu, sondern macht die Bilder, die unsere multimediale Welt pausenlos produziert, selbst zum Thema.


Marion Benz
in Basler Zeitung vom 25. September 2003