DON'T TAKE IT EASY!


Luca Schenardi fühlt sich oft, als sei er in die falsche Zeit hineingeboren worden. Dennoch überzeugt der reizbare Innerschweizer, der eigentlich viel lieber zu Zeiten Hoffmanns, Kleists und Kaspar David Friedrichs gelebt hätte, durch äussert zeitgenössische Illustrationen und Collagen.


Luca Schenardi macht sich's nicht einfach. "Ich glaube schon, dass ich überduchschnittlich viel Aggressionen in mir trage. Die kleinen Dinge im Alltag, seien es politische Themen, der Job oder was auch immer, ich nehme alles sehr ernst. Es scheint, als könnten andere Menschen diese Sachen super abstrahieren, ich persönlich kann das nicht." Trotzdem wirkt der junge Künstler am Telefon ziemlich gelassen, als er die Inspirationsquellen seiner Arbeit kommentiert. Natürlich ist es genau dieser Zorn, diese kritische Auseinandersetzung mit der modernen Welt zwischen Massenmedien, Konsum und Technisierung, welche den Innerschweizer zu seinen Werken anspornt. Geboren und aufgewachsen im Kanton Uri - wohin er auch jetzt noch gerne flüchtet, wenn ihm Luzern und der Rest der Welt zu viel wird - bekam er den starken Bezug zur Natur, deren Schönheit sozusagen in die Wiege gelegt: "Seit Kindsbeinen fühle ich mich am wohlsten, wenn ich in der Natur bin", schwärmt Luca. So oft wie möglich entflieht er dem hektischen Treiben dieser Zeit, in der er sich eigentlich so ganz und gar nicht heimisch fühlt, und sucht als Ornithologe für die Vogelwarte Sempach auf Wanderungen oder im kleinen Häuschen am Klausenpass seinen Frieden. "Umso schwerer fällt es mir dann, mich wieder ins städtische Leben einzugliedern, wenn ich zurückkomme." Doch natürlich ist Luca sich auch bewusst, dass er dieser Welt nie ganz entfliehen können wird, denn so sehr er sich Probleme wie die Kontrolle der Menschen durch Massenmedien und die Verblödung unserer Gesellschaft durch Starkult und Selbstbehauptung auch zu Herzen nimmt, genau diese Themen bilden oftmals auch den Inhalt seiner zynischen und düsteren Illustrationen, Bilder und Plakate.


Romantische Fluchten
Lucas Bilder und Einstellung haben viele Parallelen zur Epoche der Schwarzromantik: Geisterhafte Wesen, deren Existenz wir uns nicht erklären können, Absagen an die moderne Welt, Flucht in die Natur ... "Ich fühle mich total verbunden mit Autoren wie E.T.A. Hoffmann! Wenn ich durch Zürich gehe, erinnern mich die Menschen oftmals an die Figur der Olympia, das frankensteinartige Wesen aus Hoffmanns Sandmann." So bewegen sich Lucas Werke auch zwischen Naturlandschaften, Geisterwesen und zynischer Sozialkritik. "Meine Grossmutter war eine richtige Urnerin, sehr religiös und mit einem starken Bezug zur jenseitigen Welt." Allerdings wurde Luca nicht nur über ihre Erzählungen, welche er sich in einem kleinen Büchlein notierte, sondern auch durch eine seltsame Begebenheit von der Existenz schicksalhafter Momente und Figuren überzeugt: Als er Jahre später dieses Buch nämlich verloren hatte, war es ausgerechnet Lina Müller, welche zufälligerweise auf denselben Vornamen wie seine Grossmutter getauft und am gleichen Tag wie sie geboren ist, die ihm das Buch zurückbrachte. So lernten sich Lina und Luca durch diesen seltsamen Zufall kennen, und merkten schnell, dass sie viel mehr als nur diese augenscheinlichen Uebereinstimmungen verband. Lina und Luca sind durch diese Begegnung ein Paar geworden, wohnen ("hoffentlich bald auf dem Land") zusammen und teilen die Leidenschaft zu Natur und Kunst. Beide arbeiten als Illustratoren, stellten vergangenes Jahr an der Ilustrative und diesem Februar im Künstlerhaus Solothurn sogar zusammen ihre jeweiligen Werke aus. "Ich bin also nicht immer nur scheisse drauf und niedegeschlagen, es gibt auch sehr viele Dinge, die mir gefallen, ich geniesse das Leben schon sehr." Dennoch entspricht Luca so überzeugend authentisch dem Bild des romantischen Künstlers, leidend und fremd, auch wenn ihm das eigentlich nicht wirklich passt, denn "das tönt doch immer so aufgesetzt".


Das Schöne am Ganzen
Im Rahmen des Fumetto Festivals in Luzern wird Luca dieses Jahr im Rahmen einer Einzelausstellung seine neuen Werke präsentieren und die Veröffentlichung seines Buchs D.I.J.D.S.D. feiern. Die Abkürzung des Buchtitels steht für Das ist ja das Schöne daran und ist eine weitere zynische Kritik am Abkürzungswahn einer Zeit, in der nichts schnell genug gehen kann. Darin präsentiert Luca Collagen, welche auf veränderten oder selbst inszenierten Fotografien aufbauen, Verfremdungen der Realität sozusagen. Die Arbeit am Buch unterschied sich von Lucas Auftragsarbeiten insofern, dass er dabei "sein eigener Regissseur" war, niemand gab das Thema vor. "Trotzdem würde ich wahrscheinlich durchdrehen, wenn ich immer nur für mich selbst arbeiten würde, obwohl ich es sehr geniesse. Es macht sehr einsam, finde ich. Wahrscheinlich brauche ich beides ein bisschen." Wer sich also ein Bild von Lucas beeindruckender Arbeit zwischen bedrückenden Geisterwelten und sehr ernst gemeinter Gesellschaftskritik machen wil, der sollte sich unbedingt ans Fumetto Festival oder an Luca Schenardis Einzelausstellung anfangs Juni in Basel begeben.


Trotz Wut und Widerstand werden politsche Themen und Figuren wohl auch weiterhin ein wichtiger Teil von Schenardis Arbeit bleiben, auch wenn ihn das viel Nerven kostet. Aber schwarzromantische Romanfiguren fanden ihre Erfüllung jeweils auch nur zwischen Lebenstraum und Realität, und genau dort dürfte sich Luca wohl befinden. Ausserdem "wäre es ja auch irgendwie langweilig, wenn ich keine Gegner mehr hätte, zumindest für meine Arbeit". Das ist ja das Schöne daran..


Rainer Brenner


in kinki Magazin von Januar/Februar 2009