Architektur als Kulisse



Neue Arbeiten von Joel Eschbach in der Galerie Guillaume Daeppen

 

Basel. Man muss reisen, um solche Gebäude zu finden. Sie sind ein bisschen aus der Mode geraten. Brutalistisch, die Oberflächen geradezu abweisend. Betonbauten sind auf dem Rückzug. Doch wenn sie neu entstehen, dürfte Joel Eschbach sie auf dem Radar haben. Er erkundet sie mit dem Auge des Fotografen und der räumlichen Wahrnehmung eines Skateboarders.

2011 wurde der damals 27-jährige Basler bei der ewz-Selection prämiert. Für seine Schwarz-Weiss-Aufnahmen von Skateboardern vor der Kulisse schroff wirkender Betonarchitektur erhielt er den Fotopreis der Julius-Bär-Stiftung und zudem den Publikumspreis. Die Dynamik und Schwerelosigkeit der jugendlichen Sportler stand im markanten Gegensatz zu den körnigen Fassaden, der klaren, beinahe grafischen Liniensprache der Architektur.

Das bewirkte, dass man die Treppenaufgänge, Rampen und Kanten aller Art als das erkannte, was sie eben auch sind: Möglichkeiten, die Stadt auf eine sehr eigene Art zu erobern. Von den Skateboardern hat Joel Eschbach übernommen, Architektur nicht als eine Guckkastenbühne anzusehen. Man kann auch die Perspektive wechseln.

Zwei Jahre später hat der Basler Fotograf sein Pseudonym "The Umbrella Kid" abgelegt und zeigt mit "Faith Fading" erstmals unter seinem eigentlichen Namen in der Galerie Guillaume Daeppen eine Einzelausstellung. Die grossformatigen Abzüge sind immer noch durch die Schwarz-Weiss-Kontraste und die Grauabstufungen bestimmt. Zur formalen Inszenierung ist nun eine inhaltliche hinzugekommen. In "Reign: Regained" bestimmen die Diagonalen einer Treppe die Fotografie, die durch die Armbewegung einer nackten Frau und vier weissen parallelen Linien aufgenommen werden. Obwohl die Frau, deren schwarzes Haar in einem Zopf in den Rücken fällt, völlig statisch ist, setzt sie das Bild in Bewegung.

Der Autodidakt Eschbach fotografiert analog. Dies zwingt ihn zu einem bedächtigen, kalkulierten Arbeiten. Durch die Linse seiner Kamera gesehen schneidet ein Schattenwurf einen rechten Winkel in zwei gleichschenklige Dreiecke, eine weisse Markierung - oder ist es einfach eine von der Sonne beschienene Kante? - führt diese Gerade parallel weiter. Die dreidimensionale Architektur wird in ihre Idee zerlegt und die ist vom Kubismus und Konstruktivismus beinflusst.

Düsterer Kulturpessimismus

Neuerdings arrangiert Joel Eschbach seine Aufnahmen zu Bildrätseln, in dem er weisse Rahmen, Arme von Schaufensterpuppen, die auch mal eine Vogelpuppe halten, in die Architektur enfügt und abfotografiert. Das hat manchmal Witz, manchmal wirkt es surreal, nicht selten aber in seiner Symbolsprache dick aufgetragen und unterhöhlt so den formal überzeugenden Aufbau seiner Werke. Eschbach lebt in dieser Ausstellung einen düsteren Kulturpessimismus aus. Eine Serie kleinformatiger Fotografien, die von den medienkritischen Schriften von Markus Metz und Georg Seesslen inspiriert wurde, zeigt eine Frau, die von Foto zu Foto stärker in ein Rastersystem eingebunden ist und deren weisse Kleidung immer schwärzer wird. Die elektronischen Meiden, so glaubt Eschbach, führen zum Verlust individueller Freiheit.

Wesentlich stärker ist eine Reihe von Polaroids, in denen Eschbach mit dem Motive zweier Tauben spielt, die sich mal auf dem Display seines Smartphones befinden, mal sich vor dem Hintergrund abheben. Was bleibt, wenn der Glaube schwindet, inszeniert Eschbach in dieser Ausstellung mit theatralischer Geste. "Wo Diktatur Fakt ist Revolution Pflicht" steht in grossen Lettern in einem Plakatkasten. Auf dem Boden liegen drei Kästen mit weiss umwickelten Äxten, die mit einer Glasplatte abgeschlossen sind. Was man als Anweisung zum Handeln lesen könnte, ist dann doch ein eingesargtes Requisit.

von Annette Hoffmann
in Basler Zeitung vom 15. Oktober 2013