Joel Eschbach aka THE UMBRELLA KID


Auf Anfrage der Redaktion an Joel Eschbach, eine Biografie über ihn selber zu liefern, hatte dieser einen unerwartete Antwort parat. Diese hat uns dermassen vom Hocker gehauen, dass wir sie dem Leser nicht vorenthalten und sie so wie sie gekocht wurde, unverändert servieren! Joel bezeichnet sich selber als jemanden, der zur Schizophrenie neige. Was er uns präsentierte und wir dem Leser weitergeben, sagt mehr als ein mit Superlativen und geschwollenen Adjektiven und Beschreibungen vollgestopftes Selbstportrait. Hier ist es deshalb: Ein Interview von Joel Eschbach, mit Joel Eschbach und über Joel Eschbach aka. «The Umbrella Kid»!


«Zu dunkler Stunde, eine Angst entstand. Die Angst vor ihr, der Zeit. Jahre verflossen, Tag um Tag, Erinnerungen verblassten, verschwanden wie Schatten im Schwarz der Nacht. Die Zeit der Feind, Protagonist der Vergänglichkeit, bewaffnet mit einer Sense, getränkt im Trank der Vergesslichkeit. Einmal berührt ihre unheilbringende Klinge, erlebte Momente verlieren gänzlich an Seele, zurück bleiben bloss Dinge und ein Faden so hauchdünn wie Seide (gespannt zwischen Gegenwart und Vergangenheit). Was nur ist Pan’s Geheimnis? Die Antwort liegt nahe. Das Rätsel der Qualia. Der 26. Buchstabe des Alphabets. Die Zeit, des Rätsels Lösung. Die Zeit mein neuer Freund. 1/1000 Sekunde. Das Bild, die manifestierte Ewigkeit, begrenzt in materieller Haltbarkeit.»


Joel, du arbeitest unter einem Pseudonym: «The Umbrella Kid». Aus welchen Gründen?


Der Reiz liegt in der Anonymität, die man mit einer neuen Identität gewinnt und Ersteres verstehe ich als Synonym für Freiheit.


Wie bist du auf «The Umbrella Kid» gekommen?


Ich verspürte schon immer eine gewisse Affinität zu Schirmen. Sie faszinieren mich sowohl als Symbol für Schutz, als auch aufgrund Ihrer asymmetrischen Beschaffenheit. Als kleiner Spross konnte ich bei Regen stundenlang in der Stadt verweilen und aus der Vogelperspektive die nicht enden wollende Schirmflut bestaunen. Natürlich ebenfalls unter einem Regenschirm. Im Grunde genommen bin ich noch immer ein Siebenjähriger gefangen in einem 24 Jahre alten Körper. Das versinnbildlicht schätzungsweise auch das «Kid» in «The Umbrella Kid».


Woraus schöpfst du Inspiration?


In meinem Leben offenbart sich Inspiration wie ein Phantom und dessen Oper wäre dann wohl das Chaos meines Lebensstils. Daher gelingt es mir meist auch nicht festzustellen, woher sie kommt und wie sie zu mir findet. Ich befasse mich jedoch intensiv mit Bereichen der Architektur, Geometrie und des Kubismus, was sich letztendlich sicherlich in meiner Bildsprache niederschlägt. Imponiert haben mir zudem die Arbeiten M.C. Eschers, speziell seine perspektivischen Unmöglichkeiten, wie sie beispielsweise in den Metamorphosen I, II & III zu sehen sind. Ich wünschte ich könnte fotografieren was er in seinen Zeichnungen erschuf. Ferner fühle ich mich von Mysteriösem, Düsterem angezogen. Ich liebe das Schwarze in der Schwarzweissfotografie, das Umschattete im Schattenspiel und finde Trost in Trostlosem. H.R. Gigers Werke gefallen mir auch. Was meine Konzepte und Bildtitel betrifft, beziehe ich mich oftmals auf Metaphern aus der Literatur, die ich dann in den Bildkompositionen abstrahiere. Aber wie bereits erwähnt: Die Quellen meiner Visionen bleiben mir unergründlich. Den letzten Geistesblitz hatte ich gar in einer Ausnüchterungszelle.


Eine Muse hast du noch nicht gefunden?


Doch, sie hört auf den Namen Annkey und ist ein unersetzbarer Bestandteil meiner Werke.


Du arbeitest ausschliesslich im Bereich der analogen Fotografie. Wie stehst du zur digitalen solchen?


Ich konnte mich bis dato nicht mit ihr anfreunden. Hätte ich die Möglichkeit, ohne finanzielle Einbussen den Abzug zu betätigen, würde ich Gefahr laufen, unüberlegt um mich zu knipsen und so den Eindruck einer ungewollten Schnappschuss- Ästhetik erwecken. Ausserdem mag ich den ganzen Prozess vom Einlegen des Films bis zum Gang ins Labor und die Vorfreude auf das Endresultat, die damit verbunden ist. Ich verstehe mich als junger Repräsentant der alten Schule.


Hast du Fotografie studiert oder eine Ausbildung in diese Richtung absolviert?


Nein, ich bin überzeugter Autodidakt. Mal abgesehen vom technischen Aspekt kann man Fotografie im schöpferischen Sinne nicht erlernen, zumal meiner Meinung nach kein Richtig oder Falsch existiert.


Was geschieht mit deinen Bildern? Publikationen? Ausstellungen?


Mein Hauptaugenmerk ist hauptsächlich auf Ausstellungen gerichtet, da ich an diesen den grösst möglichen Einfluss darauf habe, wie meine Bilder präsentiert werden. Die Anordnung der Bilder im Ausstellungsraum und das Konzept der Präsentation ergeben schlussendlich das wichtigste Bild einer Ausstellung überhaupt, das Gesamtbild. Ansonsten bemühe ich mich um Publikationen in Magazinen, die in der Regel eine grössere Resonanz versprechen.


Wovon träumt der Schirmjunge?


Ich träume davon, wie höchstwahrscheinlich jeder Andere auch, eines Tages von meiner Leidenschaft leben zu können. Eine Reise nach Osaka, wo Tadao Ando einen Grossteil seiner Architektur errichtet hat, steht auch ganz Oben auf meiner Wunschliste. Ich wäre nirgends produktiver als dort.


Kommerzielle Aufträge nimmst du keine entgegen?


Bis dato nicht. Eine Zusammenarbeit mit einem Kunden setzt zwangsläufig eine hohe Kompromissbereitschaft voraus, und was meine Fotografie betrifft, kann ich eine solche schlichtweg nicht gewährleisten. Ich bin aber durchaus offen für Vorschläge.


Welcher Song sollte durch die Kopfhörer schallen, während man deine Bilder betrachtet?


Black Sabbath's «Supertzar».


Und was hast du gerade in den Ohren?


The Doors mit «The End».