Was sich im Hintergrund zusammenbraut


In seiner kühlen Malerei sucht Martin Kasper in der Galerie Guillaume Daeppen nach verborgenen Geschichten


Blosse Architektur genügt ihm nicht mehr: Der in Freiburg im Breisgau lebende Künstler Martin Kasper geht neue Wege und baut in seine aktuellen Bilder Menschen in Gebäube mit ein.


Die schwarzen menschlichen Schatten sind kaum mehr erkennbar. Klein sitzen sie auf ihren Stühlen am grossen runden Tisch, verloren. Aufsteigender Nebel scheint sie vom Boden her zu verschlingen, vor den Fenstern schweben lautlos schwarze Helikopter. Nur die graue Rückenfigur im Vordergrund blickt zusammen mit dem Betrachter auf das, was sich dort draussen vor ihren Augen zusammbraut.


Blautöne. Martin Kaspers "Warroom II" bedroht. Düstere, kühle Blautöne evozieren die Stimmung eines Hollywoodfilms, rekurrieren jedoch auf ein Foto einer Nato-Konferenz. Die Reverenz an die bewegten Bilder ist trotzdem nicht falsch erkannt. Kasper, der lange Zeit die Fotokamera als Erstinstanz für seine gemalten Motive benutzte, hat seinen Inspirationsschatz ausgeweitet und lässt nun auch mediale Bilder aus Fernsehen, Zeitungen oder Kino als Vorlagen zu.


Am klarsten zeugen drei Verhörszenen, die unverblümt einem Film entnommen wurden, von den neuen Einflüssen. Sie zeigen zwar keinen Handlungsablauf, implizieren aber doch eine verborgene Geschichte. Kaspers Interesse verbleibt beim einzelnen Bild, das im Englischen mit jenem passenden Wort "Still" bezeichnet wird, welches den Stillstand, die Beschränkung auf eine Moment- aufnahme am deutlichsten zu umschreiben vermag.


Früher malte der in Freiburg im Breisgau lebende Maler reine Architekturszenerien - menschenleere Unorte wie Warteräume, Tankstellen oder Flughafenhallen. Diese Plätze sind bis heute geblieben: klar definierte Räume, deren architektonische Struktur durch künstlerische Veränderung der natürlichen Farbe zu einer ganzheitlichen Atmosphäre verdichtet wurde. Wenn nun Personen in den Gemälden auftauchen, so bleiben sie meistens Statisten, rücken mit ihrer Präsenz derart stark in den Hintergrund, dass die Architektur des Raumes sie dominiert und beinahe zu erdrücken droht.


Impulse. Das neu geborene Interesse des Malers am Menschen aber bleibt offensichtlich. Inspiriert von den alten Meistern wie Velazquez oder den Niederländern ist Kasper der Frage nach dem Verhältnis zwischen Raum und Figur auf der Spur. Die Impulse, die er daraus zieht, wirken sich bereichernd auf seine Arbeiten aus, und es darf gespannt darauf gewartet werden, in welche Richtung sich die Beziehung künftig weiterentwickelt.


Karen N. Gerig
in Basler Zeitung vom 7. Oktober 2004