Kunsthalle Bremerhaven


Martin Kasper, Treibstoff


Kunst im Nordwesten, Ausgabe 4/99
von Martin Engler


Den Bilder eignet die stumme Beredsamkeit eines Stilllebens. Martin Kaspers Architektur- veduten ersetzen gestrenge Gegenständlichkeit durch psychologische Präsenz. Seine leeren, bei aller Vertrautheit fremden Gebäude treten dem Betrachter mit dem geheimnis-vollen Selbstbewusstsein eines Porträtierten entgegen.


In einem langwierigen Prozess malerischer Annäherung entsteht eine ästhetische Morphologie vertraut-alltäglicher Baulichkeit: Wasserkraftwerke entlang des Rheins, alpine Grenzbauten, anonyme Tankstellen oder Flughäfen werden in einem fotografischen Skizzen-buch in unzähligen Variationen notiert und im Atelier entleert und reduziert. Zuerst verschwinden die Menschen, dann die überflüssige, bewegliche Staffage und zuletzt wird die Architektur von allen störenden Nebensächlichkeiten befreit.


Wenige, zum Teil minimale Veränderungen lassen aus den tiefenräumlichen Realitäts-fragmenten ein fast abstraktes, aus flächigen Farbwerten sich zusammensetzendes Tableau entstehen, das Inhaltlichkeit vehement verneint und gleichwohl höchst anspielungsreich den Dialog mit dem Betrachter sucht. Die Malerei Martin Kaspers ist ikonisch und anspielungs-reich, inhaltlich und abstrakt zeichenhaft zugleich. Jeder Gegenstand, jedes Bilddetail sucht sich permanent einen neuen Sinn in der ungegegenständlichen Logik des Bildes zwischen Farbe und Form.


In den frühen seit 1996 entstehenden Serien münden Bilder wohlvertrauter Alpen- oder Flusslandschaften in befremdend eigenständige malerische Formulierungen, in denen sich die Architektur mit ihr tektonischen Strenge der Natur bemächtigt und dieselbe Architektur sich im Gegenzug in die Logik einer übermächtigen Landschaftsszenerie eingebaut findet. In den neueren "Tankstellen"- oder "Flughafen"-Serien befindet sich die Natur auf dem Rückzug. Nachdrücklicher noch als in den früheren Serien wird hier der Grenzbereich zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion ausgelotet, wenn die natürliche Umgebung der Gebäude sich immer mehr von der struktiven Macht der Architektur gebändigt findet.


Martin Kasper besetzt im Kontext der Landschaftsmalerei der späten neunziger Jahre souverän eine höchst eigenständige Position, die sich um Anleihen bei der Fotografie oder den allgegenwärtigen neuen Bildmedien wenig bekümmern muss, sondern mit den ureigensten Mitteln der Malerei immer wieder von Neuem die Frage nach der Realität unser Bilder stellen kann.