Hartes Wechselspiel


Neue Arbeiten von Martin Wehmer in der Galerie Guillaume Daeppen


Den eigenen Stil zu finden, ihn zu verändern und sich trotzdem nicht zu verleugnen, ist nicht immer unkompliziert. Martin Wehmer hat seine ideale Ausdrucksart im Medium der Malerei gefunden und verzeichnet seit längerem Erfolge damit. Seine bunt-farbigen, grossformatigen abstrakten Bilder im Streifenmuster sind sein Markenzeichen. Nun versucht der in Freiburg im Breisgau lebende Künstler zum zweiten Mal innert eines halben Jahres etwas Neues im Rahmen des Geläufigen.


Im letzten November, auf seine Ausstellung im Kunstverein Freiburg hin, arbeitete Wehmer auf riesigen Formaten: plötzlich füllten seine Gemälde ganze Wände. Gleichzeitig änderte sich ihre Farbigkeit. Wo vorher Orange, Gelb und leuchtendes Hellblau sich in Linien ablösten, wurde die Leinwand nun teilweise von tiefdunklem Blau, Grau oder Braun verhüllt. Komplementärkontraste wurden ersetzt durch ein hartes Wechselspiel zwischen schwarznahen Streifen und hellstem Weiss oder Gelb. Geblieben waren die Bogensegmente, die Wehmer nach den granz frühen vertikal und horizontal gestreiften Bildern bereits erfolgreich getestet hatte. Geblieben ist auch der körperliche Umgang mit dem Material Farbe, welches mit Spachtel, Pinsel und Malmesser aufgetragen neben den kontrastierenden Streifen den Haupteindruck von Nähe und Ferne lieferte.


Jetzt, ein halbes Jahr später, stellt Guillaume Daeppen in seiner Galerie Gemälde Wehmers aus, die diesen Winterwerken in der düsteren Farbigkeit zwar noch ähneln - dunkelstes Blau überwiegt, auch wenn sich in einer Ecke ein neon-oranger Fleck breit zu machen beginnt. Neu sind die Formate: Die Bilder sind geschrumpft, in Länge und Breite mindestens je um die Hälfte. Der Kreis ist noch immer das Hauptkompositionselement. Bogensegmente überspannen die Leinwand, überschneiden einander und stoppen sich gegenseitig in der Bewegung, enden abrupt mitten im Bild. An manchen Orten schliessen sie sich zu vollständigen Ellipsen zusammen, erwecken den Eindruck eines planetaren Systems.


Der Bildraum wirkt durch diese ganzheitlichen Figuren geschlossener, weniger ausschnitthaft, da nur noch selten ein Streifenbündel den Rahmen durchbricht und den imaginären Raum über die Leinwand hinaus ausweitet; Imagination und tatsächlicher Raum sind kongruenter geworden und zeugen davon, dass das Experiment, welches Wehmer mit seiner Kunst im letzten Jahr anzustreben schien, gelungen ist. Er hat seinem Oeuvre weitere neue Züge hinzugefügt, ohne seinem Stil und Konzept untreu zu werden.


Karen N. Gerig
in Basler Zeitung vom 26. Juni 2003