Vom Geruch der Farben


Schon beim Betreten der Ausstellungsraumes wird man vom Geruch der Farbe überwältigt, die Martin Wehmer erst kürzlich in dichten, pastosen Streifen auf seine neuesten Leinwände aufgetragen hat. Früher waren es senkrechte, subtil nach links und rechts hin bewegte, schleierartige Farbströme, die die Bildfläche dominierten und bühnenartige Szenerien schufen. Obwohl sich gerade in diesen Werken allerlei Assoziationen einstellen, ging es dem jungen deutschen Künstler kaum je um Erinnerungen an Erlebtes oder Hinweise auf Geschautes, sondern vielmehr darum, die Leinwand als "Spielfeld physischer Präsenz" zu benutzen. Die zumeist von der Körpergrösse des Künstlers bestimmten Werke haben neuerdings etwas von ihrem allzu harmonischen Fluss verloren, indem Wehmer die alles beherrschende Potenz der senkrechten Farbbahnen abrupt durch kreisartige Pinselbewegungen bricht, die das Auge des Betrachters noch rascher in die unterschwellige Dynamik des farbmächtigen Bildraumes eintauchen lassen. Versucht Wehmer allerdings, sich in kleineren Formaten einer ähnlich expansiven Pinselgeste - verbunden mit der gleichen Technik des pastosen Farbauftrages - zu bedienen, so wirkt das Bildgeschehen formal zerrissen und von der Farbgebung her recht zudringlich. Körpermalerei lässt sich eben nicht auf kleinen Bildflächen realisieren.


Renate Dürst
in Basler Zeitung vom 29. März 2001